Königsberger Klopse x Beets Bourguignon

Mahlzeit in der Kantine der BVG in Berlin-Lichtenberg
Jeden Mittag essen rund 120 BVG-Mitarbeitende in der Kantine des Betriebshofs in Lichtenberg. Sie sieht auf den ersten Blick recht gewöhnlich aus, doch zusammen mit „Kantine Zukunft“ wurde die Küche kräftig umgekrempelt: frischer, biologischer, gesünder, pflanzlicher. Und auch leckerer? Darauf kommt’s am Ende an. Ein Stimmungsbild.
Die BVG-Kantine in Berlin-Lichtenberg

Es ist ein Mittwoch kurz vor 11:30 Uhr in der Kantine der Berliner Verkehrsbetriebe im Stadtteil Lichtenberg. Eine von insgesamt 14 Kantinen, die das größte Verkehrsunternehmen Deutschlands in der Stadt betreibt; rund 1.500 Gäste versorgen diese insgesamt Tag für Tag. Auf dem Gelände des Betriebshofs befinden sich Werkstätten und Schlossereien für Trams und Busse sowie Verwaltungsbüros. In die Kantine kommen täglich rund 120 Mitarbeitende zum Mittagessen.  

Das Küchenteam ist seit dem frühen Morgen mit der Vor- und Zubereitung der Speisen beschäftigt. Es macht sich an den Ausgabestellen bereit und die ersten Hungrigen treffen ein. Mahlzeit! Frage an die Gäste: "Wie schmeckt es Ihnen? Können Sie einen Unterschied feststellen können zu der Zeit, bevor die BVG mit dem Team von Kantine Zukunft ihre Rezepte und Speisepläne erneuert hat?"

Andreas Lehnert, einer der ersten Gäste heute, ist als Experte für Telekommunikation normalerweise an einem anderen Standort der BVG tätig, doch mittwochs isst er immer hier. Und das gerne: „Hier wird frisch gekocht, es schmeckt wirklich gut!“ Früher habe er oft nachwürzen müssen. Ihm gefällt, dass es oft internationale Speisen gibt. Thailändisch, vietnamesisch, aber auch: die Klassiker. „Omas Schmorgurken schmecken mir besonders. Die dürfte es ruhig öfter geben!“ 

Die Umstellung nimmt auch Sabrina Köppel positiv wahr, sie kommt täglich in die Kantine. Die Speisen seien heute optisch hübscher angerichtet und auch die Kennzeichnung der Inhaltsstoffe und Nährwerte sei einfacher nachzuvollziehen. Zum Beispiel die Kalorien: „Wenn man wie ich im Büro tätig ist, benötigt man weniger davon, als wenn man körperlich schwer arbeitet.“

„Das Blumenkohlschnitzel machen wir mit Ei und Fetakäse. Wenn es das gibt, ist der Ansturm immer großs“
Marie Grunewald
Viele Kantinengäste kommen täglich – und schmecken den Unterschied

Gute und kreative vegetarische Gerichte

Aus roter Bete ...

Damit benennt sie einen Spagat, den diese Kantine  leisten muss: Wird in den Werkstätten der BVG oft kräftig angepackt, ist der Kalorienverbrauch der Kollegen an den Bildschirmarbeitsplätzen weniger hoch. Entsprechend unterschiedlich groß fällt der Hunger aus. Doch muss es immer viel Fleisch sein, nur weil manche körperlich hart arbeiten? Nein, beziehungsweise immer seltener: Von einst 80 bis 90 Prozent fleischhaltigen Gerichten ist die Kantine in Lichtenberg mittlerweile bei fast 50:50 angelangt. Proteinreiche Hülsenfrüchte etwa stellen eine nicht nur sättigende, sondern auch schmackhafte und obendrein nachhaltige Alternative zum Fleisch dar. „Die vegetarischen Gerichte sind hier gut und kreativ“, berichtet Ingenieur Florian Pfeiffer, der mit zwei Kollegen Platz im hellen Speiseraum der Kantine genommen hat. „Das hier ist etwas wirklich Innovatives“, sagt Tischnachbar Tristan Krüger und deutet auf seinen Teller: Rote Bete in großen Stücken, dazu Kartoffeln, Crème fraîche und Senfsaat. Sieht super aus. „Dass es so etwas, aber eben auch die Klassiker hier gibt, finde ich cool“, erklärt der Dritte am Tisch, Stephan Lesser. Er hat sich für einen absoluten Berliner Klassiker entschieden: Königsberger Klopse, dazu Püree aus frisch gestampften Kartoffeln und natürlich Kapern. Aber auch das Blumenkohlschnitzel könne was, berichtet er – die Kollegen nicken zustimmend.

„Das Blumenkohlschnitzel machen wir mit Ei und Fetakäse. Wenn es das gibt, ist der Ansturm immer groß“, erklärt Marie Grunewald und lacht. Sie ist Köchin im insgesamt rund 100 Mitarbeitende umfassenden Küchenteam der BVG, ebenso wie ihr Kollege Daniel Oberländer. Die beiden arbeiten gerne zusammen und legen viel Wert auf den Geschmack des anderen, zumal wenn es um den letzten Schliff der Speisen geht. Darf da noch ein bisschen mehr Würze dran? Wie lassen sich schöne geschmackliche Gegensätze bilden? „Dafür nehmen wir uns gerne eine Extraminute Zeit, um das Essen auf ein hohes Level zu bringen. Das macht es am Ende aus“, findet Daniel Oberländer. 

Nein, nicht alles, was neu ist, stößt auf Anhieb auf Zuspruch. Marie Grunewald erinnert sich zum Beispiel an Kohlpuffer, die sich erst wenige Gäste aufs Tablett laden ließen. Mit Probierhäppchen jedoch kann man viele Unschlüssige überzeugen: „Und wenn es jemanden nicht überzeugt, ist das völlig okay!“ Wenn es in der Kantine Hackbraten gibt, können die Kolleginnen und Kollegen sogar entscheiden, ob sie ihn klassisch oder vegan aus Kartoffeln und Bohnen essen möchten. Daniel Oberländer: „Auf den ersten Blick ist der eine Hackbraten vom anderen nicht zu unterscheiden. Das macht die Leute neugierig, und so bekommt man sie dazu, auch mal den ohne Fleisch zu probieren.“

100
Mitarbeitende haben die BVG-Küchen
„Wir nehmen uns gerne eine Extraminute Zeit, um das Essen auf ein hohes Level zu bringen.“
Daniel Oberländer
... wird das hippe Gericht „Beets Bourguignon“

Sonst würde ich öfter im Home Office bleiben!

Mahlzeit!

Mittlerweile ist „high noon“ in der Kantine. „Ich mag die große Auswahl. Es gibt oft Essen aus der ganzen Welt – und ich kann über deutsches Essen auch etwas über das Land lernen“, erzählt Daniela Luco. Ihre Kollegin Debora Rossi kann bestätigen, dass die Qualität sich deutlich verbessert hat: „Ich esse seit zehn Jahren hier. Es ist viel gesünder geworden, und es gibt mehr Gemüse als früher.“ Manchmal nimmt sie sogar etwas vom selbstgebackenen Kuchen für ihre Familie mit nach Hause. Zu Hause bleiben – und dort arbeiten – würde ihr Kollege Jakob Senge vermutlich häufiger, gäbe es die Kantine nicht: „Die Kantine ist ein echter Motivator für mich, sonst würde ich öfter im Home Office bleiben“, sagt er lachend. „Die wissen hier schon, dass ich gerne Salat esse. Wenn es etwas Neues im Buffet gibt, sagen sie zu mir: Probier das mal! Die haben Freude daran.“ Kurz vor Küchenschluss um halb zwei kommt Ines Birnstiel aus der Straßenbahn-Fahrschule hinüber in die Kantine. Seit 38 Jahren ist sie bereits hier beschäftigt. Sie hat sich heute für die Kürbissuppe mit japanischem Miso entschieden. Dass es hier auch Speisen gibt, die sie zuvor noch nicht kannte, findet sie klasse: „Das ist genau mein Ding! Die Diversität hat sich sehr zum Positiven verändert. Und ich finde es auch gut, dass man sich über Zutaten Gedanken macht und Sachen wie Dinkel oder Bulgur verwendet.“

„Ich esse seit zehn Jahren hier. Es ist viel gesünder geworden, und es gibt mehr Gemüse als früher.“
Debora Rossi
Berliner Klassiker: Königsberger Klopse

Auch Wünsche und Kritik werden von den Gästen an uns herangetragen: Leber nach Berliner Art wäre mal wieder schön, oder Blutwurst, überhaupt öfter traditionelle Gerichte. Und auch bei so mancher Gerichtsbezeichnung verstehe man nicht, was das überhaupt heißen soll. Oben genanntes Rote-Bete-Gericht heißt „Beets Bourguignon", doch den Wortwitz verstehen nicht alle auf Anhieb.

„Genau deswegen besprechen wir die Gerichte des Tages im Meeting, sodass wir alle Auskunft darüber geben können, was drin steckt“, erklärt Koch Daniel Oberländer. Zudem werden alle Gerichte auf Beispieltellern in der Vitrine präsentiert. Doch ein bisschen reizen, es spannend halten, das will das Küchenteam eben auch. Und mit dem neuen Dörrautomaten, der frisch eingetroffen im Küchenbüro steht, wird bald noch mehr Geschmackvolles und Besonderes für die Lichtenberger Kantinengäste zubereitet.

Die Zusammenarbeit mit der BVG war eines der ersten Projekte von Kantine Zukunft. Sie fand an mehreren Standorten statt, u.a. im Betriebshof Lichtenberg. Die Küchenteams nahmen an vielen Workshops teil, gemeinsam wurden Rezepturen und Speisepläne angepasst und vor Ort erprobt. Mit einem Bio-Anteil von 35 % schloss die BVG das Projekt 2022 erfolgreich ab.